Die Düsseldorfer Tabelle soll dazu dienen,einheitlich zu regeln, welchen Betrag ein Elternteil, der nicht im Haushalt des Kindes lebt, an den anderen Elternteil zu leisten hat. War die Tabelle bei ihrer Einführung ein durchaus sinnvoller Vorstoß, die damals uneinheitliche Unterhaltshöhe zu harmonisieren, so ist sie spätestens mit Beginn des 21. Jahrhunderts wegen der geänderten Vorstellungen darüber, wie getrennt lebende Eltern ihre Kinder gemeinsam erziehen sollten, erheblicher Kritik ausgesetzt.
Die Düsseldorfer Tabelle ist zwar kein Gesetz, sie wird aber von allen Familiengerichten angewendet. Es gibt regionale Unterschiede in der Anwendung. In Berlin sind die Leitlinien des Kammergerichts maßgeblich, die genauere Angaben zur Anwendung der Tabelle enthalten. Grundlage der Tabelle ist, dass das Kind ganz überwiegend im Haushalt eines Elternteils lebt und der andere nur ein Umgangsrecht hat. Der Unterhalt steigt, wenn das Kind älter wird; es gibt verschiedenen Altersgruppen (0 – 6 Jahre, 6 – 12 Jahre, 12 – 18 Jahre, über 18 Jahre). Ferner wird unterstellt, dass der Bedarf des Kindes, also die Kosten für Wohnen, Essen, Trinken, Bekleidung, Hobbys, Kultur, mit zunehmendem Einkommen steigt. Die Tabelle ist in Einkommensgruppen von bis 1.900 Euro bis über 5.500 Euro, denen jeweils ein Unterhaltsbetrag zugeordnet wird, unterteilt.
Das Kindergeld ist hälftig auf den Barunterhalt anzurechnen. Da der Unterhaltspflichtige in der Regel nicht das Kindergeld bezieht, sind die Zahlbeträge (Tabellenbetrag – ½ Kindergeld) maßgeblich (das Kindergeld steigt zum 01.07.2019 um 10 Euro, der Zahlbetrag sinkt also um 5 Euro). Bei der Einstufung in die jeweilige Einkommensgruppe ist zu beachten, dass die Tabelle von zwei Unterhaltsverpflichtungen ausgeht. Ist nur für ein Kind Unterhalt zu zahlen, ist der Unterhalt nach der nächsthöheren Einkommensgruppe zu leisten; ist für mehrere Personen zu zahlen, wird eine entsprechende Herabstufung vorgenommen.
Häufig ist im Streit, welches Einkommen der Unterhaltspflichtige bezieht, da sich das Jahreseinkommen durch Hinzurechnung von Einmalzahlungen, Steuerrückerstattungen, Prämien, etc. erhöht, sich andererseits Abzüge durch Zusatzversicherungen oder Darlehensraten ergeben. In der Regel ist es nicht sinnvoll, sich über eine Hoch- oder Herabstufung einer Einkommensgruppe zu streiten, denn einem relativ überschaubaren Mehrbetrag von rund 30 Euro steht häufig ein wesentlich höheres Kostenrisiko im Falle eines Gerichtsverfahrens gegenüber.
Der Unterhalt für ein minderjähriges Kind wird dann anders berechnet, wenn dieses in einem echten Wechselmodell betreut wird, also bei beiden Elternteilen gleich viel Zeit verbringt. Jeder Elternteil ist dann verpflichtet, das Kind zu betreuen und sich an den Kosten zu beteiligen. Für die Höhe des Bedarfs ist das gemeinsame Einkommen maßgeblich, es ist nur dann Unterhalt zu zahlen, wenn ein Elternteil mehr verdient. In den Tabellensätzen ist ein übliches Umgangsrecht berücksichtigt. Anders als bei Einführung der Tabelle werden Kinder heute nach Trennung der Eltern häufig in der Weise betreut, dass sie die Wochenenden abwechselnd bei den Eltern verbringen und auch unter der Woche Umgang mit Übernachtung erfolgt. Der umgangsberechtigte Elternteil hat für das Kind in seinem Haushalt in der Regel ein eigenes Kinderzimmer mit entsprechender Ausstattung eingerichtet und finanziert Unternehmungen mit dem Kind. Dennoch zahlt er mitunter den gleichen Unterhalt wie ein Elternteil, der sich nicht um sein Kind kümmert.
Dem verbreiteten Fall des erweiterten Umgangs wird die Düsseldorfer Tabelle nicht angemessen gerecht, denn es wird nur nach Betreuung eines Elternteils mit Umgang des anderen einerseits und einem echten Wechselmodell andererseits unterschieden. Kritisiert wird daher, dass keine angemessene Differenzierung nach verschiedenen Betreuungsmodellen erfolgt. Dies hat im Übrigen auch erhebliche Auswirkungen darauf, wie Eltern Auseinandersetzungen in Bezug auf die Verteilung von Betreuungszeiten führen: es ist für den Unterhalt sehr bedeutsam, ob das Kind 14 Tage im Verhältnis 7 : 7 oder 9 : 5 betreut wird.
Das Problem ist erkannt, Lösungen liegen aber noch nicht vor. Eine mögliche Regelung könnte so aussehen, dass bei der Festsetzung des Unterhalts die jeweilige Betreuungsregelung einfließt, also der Elternteil, der das Kind gar nicht sieht, einen höheren Unterhalt zahlt, als der Elternteil, der einen ausgeweiteten Umgang wahrnimmt. Sinnvoll wäre es, zukünftig nicht mehr auf den Lebensmittelpunkt als Anknüpfungspunkt abzustellen, sondern auf die Betreuung. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber kurzfristig der geänderten Kinderbetreuung ein passendes Unterhaltsmodell an die Seite stellt.
Marcus Borgolte
Fachanwalt für
Familienrecht in Pankow